Geistlicher Impuls zum 19.05.2024

Wo mehrere zusammen sind, miteinander leben und arbeiten, werden nie alle faktisch gleich sein, wird sich nicht alles auf ein und derselben Ebene abspielen, werden die Beziehungen der Einzelnen untereinander nicht nach demselben Schema verlaufen. Wo Menschen sind, gibt es immer auch Unterschiede. Letztere können durch viele Fak­toren wie Herkunft, Alter, Bildung, Stellung, Leistung, Ansehen, Einfluss usw. be­dingt sein. Diese Verschiedenheiten wird man nicht aus der Welt schaffen können, sie haben vielfach auch ihr Recht und ihr Gutes. Etwas anders mögen die Dinge lie­gen, wenn es sich um Unterschiede handelt, die durch fremdes oder eigenes Verschul­den verursacht sind. Im Blick auf sie wird man feststellen können, dass sie nicht unbedingt sein müssten bzw. sollten. Ob sie sich in jedem Fall noch aus der Welt schaffen oder vermindern ließen, das kann nicht allgemein entschieden werden. Eine Aufgabe aber, die wohl alle betrifft, die mit Unterschieden in Berührung kom­men, ist die Frage, wie wir sie sehen und mit ihnen umgehen. Es ist zunächst ein­mal heilsam, wenn wir uns bewusst machen, dass alle Unterschiede unter uns relativ sind, also keine absolute Aussage darstellen. Wir sind also nicht gehalten, ihnen eine höhere Bedeutung zuzulegen, als ihnen von Haus aus zusteht. Wer es trotzdem tut, ist selber schuld und straft damit sich selber. Des Weiteren sollten wir uns hüten, Unterschiede mit einem Wert- oder Qualitätsurteil zu versehen oder zu ver­wechseln. Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Mensch aufgrund seiner Herkunft, seiner Fähigkeiten oder Erfolge wertvoller oder kostbarer als andere sein muss. Die Praxis spricht nicht selten für das Gegenteil. Wer sich über andere erheben zu müssen glaubt, der fällt damit ein Urteil über sich, nicht über die anderen. Auf ihn trifft zumindest jene Beobachtung von Christian Morgenstern zu, die lautet: »Wer sich überhebt, verrät, dass er noch nicht genug nachgedacht hat.«

Entnommen aus Christian Schütz OSB, Gesegneter Alltag. Lebensweisheit aus der Regel Benedikts

– Sankt Ottilien