Am 14. November 2024 wurden die sterblichen Überreste des koreanischen Schriftstellers Mirok Li (1899–1950) in seine Heimat überführt, wo sie auf dem nationalen „Heldenfriedhof“ bestattet werden. An der feierlichen Zeremonie auf dem Friedhof Gräfelfing nahmen Delegationen aus Korea und koreanische Kulturvereinigungen aus Deutschland teil. Während Mirok Li in Korea vor allem als Widerstandskämpfer gegen die japanische Besatzung geehrt wird, ist er in Deutschland mehr als Schriftsteller bekannt, dessen in vier Bänden erschienenes Werk heute im EOS-Verlag betreut wird. Über seine Lebensstationen informiert das folgende Lebensbild von Dr. Hee Seok Park:
Yi Ui-gyeong, Künstlername Mirok Li, wurde im April 1899 in der Stadt Haeju, die sich im jetzigen nordkoreanischen Gebiet befindet, als einziger Sohn eines Großkaufmanns geboren. Wegen der strengen konfuzianischen Erziehung durch den Vater lernte Li bereits im Kindesalter Chinesische Zeichen und las schon in der Jugendzeit mehrere Konfuzianische Klassiker. Seit der Annektion der koreanischen Halbinsel durch Japan 1910 belegte er die neue (moderne) Schulbildung und studierte ab 1917 das Medizinstudium an der Seouler Medizinhochschule. Dennoch konnte Mirok Li das Studium nicht zum Ende bringen, da die Unabhängigkeitsbewegung im März 1919 stattfand. Er hatte an dieser aktiv (drucken der Flugblätter und deren Verteilen) teilgenommen und somit stand sein Name auf der Fahndungsliste der japanischen Kolonialregierung. Infolgedessen verließ Mirok Li seine Heimat über den Fluss Yalu und kam in Shanghai in China an. Im darauffolgenden Jahr wurde er in Abwesenheit zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Im Mai 1920 reiste er über Marseille nach Deutschland.
Ende Mai 1920 kam Mirok Li in der Abtei Münsterschwarzach in Bayern an. Ab dem folgenden Jahr 1921 fing er erneut mit dem Medizinstudium an der Würzburger und Heidelberger Universität an. Allerdings wechselte der junge Student dann an die Universität München, nachdem er festgestellt hatte, dass das Medizinstudium seiner Weltanschauung nicht entsprach. In München nahm Mirok Li das Studium der Zoologie auf und beendete es mit einer Doktorarbeit. Während seiner Studienzeit in Deutschland in den 1920er Jahren wurde Mirok Li zusammen mit weiteren zehn koreanischen Studenten zum Gründungsmitglied des Verein der koreanischen Studenten in Deutschland und beteiligte sich an verschiedenen Aktionen für die Bekanntmachung der koreanischen Lage. In diesem Zuge nahm er im Februar 1927 als Vertreter der koreanischen Studenten in Deutschland am Kongress gegen koloniale Unterdrückung und Imperialismus in Brüssel teil und versuchte mit den koreanischen Mitgereisten dort, die inakzeptable japanische Annexion Koreas zu erklären.
Seit Ende der 1920er Jahre, nach dem Ende des Studiums, begann Mirok Li mit seiner Schreibbestrebung neben dem privaten Kalligraph-Unterricht, der seinen Lebensunterhalt einigermaßen deckte. Mit der literarischen Tätigkeit erlebte er dann 1931 den ersten Erfolg, als eine kleine Erzählung mit dem Titel „Nachts in einer koreanischen Gasse“ in der Zeitschrift „Die Dame“ veröffentlicht wurde. In den nächsten Jahren durfte Mirok Li in einer finanziellen, seelischen Stabilität die literarische Aktivität weiterführen, da ihn die Familie Dr. Alfred Seyler, der bald zum Direktor der Graphischen Sammlung München wurde, bei sich aufgenommen hatte. Von da ab lebte Mirok Li zusammen mit der Familie in Gräfelfing. Seitdem wurden in den verschiedenen deutschen Zeitungen und Zeitschriften seine zahlreichen kurzen Geschichten und Essays veröffentlicht, welche meist hinsichtlich der koreanischen Geschichte, Kultur und Weltanschauung beinhalteten.
Den Höhepunkt seiner literarischen Beschäftigung erreichte er im Jahr 1946, als der Piper-Verlag einen autobiografischen Roman von ihm mit dem Titel „Der Yalu fließt“ herausgab. Dieser zeichnete sich durch die Erinnerung an seine Kindheits- und Jugendzeit mit dem Hintergrund der Umwälzung der koreanischen Gesellschaft aus. Die Erzählung erlebte ein großes Echo: Es wurden 86 Rezensionen über das Buch geschrieben. Als die letzte Aktivität übernahm Mirok Li Unterrichten am Institut für Ostasiatisches Seminar der Universität München. Er hielt dort vom Sommersemester 1948 bis Wintersemester 1949/50 Vorlesungen für Koreanische Sprache und Geschichte, Ostasiatische Literatur und Konfuzianische Philosophie. Aber kurz nach dem Ende des Semesters starb Mirok Li am 20. März 1950 durch Verschlechterung seiner Gesundheit und wurde in Gräfelfing beigesetzt. Erwähnenswert ist auch seine Verbindung zu Professor Kurt Huber (1893-1943), dem Münchner Philosophen und Musikwissenschaftler. Mirok Li nahm an Vorlesungen Hubers teil, woraus sich eine Freundschaft entwickelte. Er besuchte die Familie regelmäßig in Gräfelfing, um sich über ostasiatische Weltanschauung und kulturelle Unterschiede auszutauschen. Als nach der Verhaftung Hubers die Familie von bisherigen Freunden und Mitbürgern gemieden wurde, gehörte Mirok Li zu den wenigen mutigen Menschen, die weiterhin die Familie besuchten und den Kontakt aufrechterhielten.
Dr. Hee Seok Park, Präsident der Mirok-Li-Gesellschaft München
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